Deutsch Lernen aus der Sicht eines zugewanderten Kindes

Die Theorie dass die Kinder einfacher als Erwachsene die Fremdsprachen lernen ist längst überholt

Ich wurde in Deutschland geboren. Meine Eltern waren einige Jahre vorher aus Eritrea geflüchtet. Mein Vater hatte einen Deutschkurs besucht und konnte sich ganz gut in Deutsch verständigen. Er ging jeden Tag zur Arbeit und hatte Kollegen, mit denen er sich manchmal traf und Deutsch üben konnte. Aber er machte viele grammatikalische Fehler und benutzte auch oft die deutschen Wörter falsch. Meine Mutter sprach kaum Deutsch. Bis ich in den Kindergarten kam, war sie nur mit mir und meinem kleinen Bruder beschäftigt. Sie hatte keine deutschen Bekannten, mit denen sie deutsch sprechen konnte. Meine Eltern sprachen zu Hause nur Tigrinya. Vor dem Kindergarten verstand ich gar kein Deutsch. Meine Mutter erzählt, dass ich in der ersten Zeit nicht im Kindergarten bleiben wollte und viel weinte. Ich war sehr schüchtern und habe lange nicht mit den anderen Kindern gespielt oder geredet. Mit der Zeit habe ich Deutsch gelernt und auch Freunde im Kindergarten gefunden. Aber ich hatte überwiegend andere ausländische Kinder als Freunde, bei ihnen fühlte ich mich sicherer. Ich hatte das Gefühl, dass es zu den deutschen Kindern eine Barriere gab, sie waren irgendwie anders als wir, ich glaube, es lag an der Sprache. Die Erzieherinnen mussten mit Händen und Füßen oder mit der Hilfe eines Dolmetschers mit meiner Mutter kommunizieren. Manchmal habe sogar ich die Dolmetscherin gespielt. Die deutschen Eltern ähnelten den Erzieherinnen nicht nur, sondern sie plauderten freundschaftlich in fließender Sprache und lachten miteinander. Der Unterschied zwischen uns und den Deutschen schien damals groß. Das Gefühl, das ich damals hatte, dass wir Migranten anders und minderwertiger sind als die Deutschen, hat mich lange begleitet.

Ich kann mich erinnern, wie es war, als ich das Wort „Löffel“ im Kindergarten gelernt habe. Ich war sehr stolz und sehr erstaunt über den seltsamen Klang des Wortes. Damals war es noch schwer für mich „ö“ und „ü“ auszusprechen. Meine Eltern können immer noch keine Umlaute richtig aussprechen. Ich hatte auch große Probleme mit den Artikeln. Oft sagte ich einfach „des“ zu allem.

Ich bin jetzt 16 Jahre alt und habe viele deutsche Freunde. Ich fühle mich wohl in Deutschland und finde, dass ich die Sprache ganz gut beherrsche. Aber meine deutschen Freunde necken mich immer wieder, weil ich manchmal Grammatik Fehler mache. Sie sagen dann im Spaß, ich soll mal richtig Deutsch lernen. Ich sage dann, dass Deutsch ja nicht meine Muttersprache ist und dass sie mal versuchen solle Tigrinya zu lernen, dann wissen sie, wie das ist. Manchmal mache ich, wenn ich schnell rede, Grammatikfehler, die ich beim Schreiben nie machen würde. Aber wenn ich das so erkläre, glauben es mir meine Freunde nicht. Womit ich bis jetzt Probleme habe sind deutsche Sprichwörter und Redewendungen. Ich verdrehe Redewendungen immer und bekomme sie nie richtig hin. Bei vielen Redewendungen weiß ich nicht mal, was sie bedeuten. Meine deutschen Freunde kennen viele Redewendungen und nutzen sie auch oft, wenn wir reden.

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